
Schamanismus & Befreiungsarbeit

WAS IST SCHAMANISMUS
Eine einfache Antwort auf diese Frage kann es nicht geben. Ich habe eine Vorstellung davon, die aber keinesfalls die einzig richtige sein kann. Meine Vorstellung ist von dem geprägt, was ich gelernt habe, von dem, was ich tue und davon, wie ich geistige Realitäten wahrnehme, interpretiere und ausdrücke.
Für mich ist Schamanismus ein sich Verbinden mit der Schöpfung.
Das Wort <šamán> kommt aus dem Tungisischen und bedeutet, "jemand der weiß".
Allerdings interpretiere ich es in dem sokratischen Sinne, nämlich wissend, dass man nichts weiß.
Wenn ich also schamanisch arbeite, mache ich mich vollständig leer.
Ich trete mit dem menschlichen Teil meines Wollens und Wissens soweit ich kann zurück. Ich äußere nun sehr wohl eine Absicht, eine Bitte, aber dann lasse ich los und mache mich zu einem leeren Gefäß. Erst dann kann etwas in mich einströmen und wenn es sein darf, durch mich wirken.
Stets habe ich dabei bewusst, dass es nicht meine eigenen Kräfte sind, die da wirken.
Denn alles in uns und in diesem Leben ist geliehen, vom großen Ganzen, vom Göttlichen. Jedes Molekül unseres Körpers, alle Materie, jeder Funke Bewusstsein und alles Sein.
Und dieses Göttliche ist auch allein das, was heilen kann. Es tritt in Erscheinung und Wirkung in Form von vielen sehr differenzierten Kräften und Wesenheiten.
Diese kann ich gezielt ansprechen und um Taten bitten. Je größer und wahrhaftiger ich in meiner Dankbarkeit und Demut bin, je grösser mein Vertrauen ist, desto grösser ist die Resonanz, die mein Gebet hervorruft. Bei all meiner Arbeit halte ich mich strikt an die lichtvollen und wirklich liebenden Kräfte, denn in meinem Verständnis kann nur durch diese wirkliches Heil erwachsen.
Diese Kräfte muss ich gut kennen, sie müssen sich mir gezeigt haben, damit ich nicht Täuschungen erliege, welche durchaus sehr schädliche Auswirkungen auf mich haben können. Und im schlimmsten falle auch auf die Menschen für die ich arbeite.
Und so ist es, auch wenn es paradox klingt, gerade als Schamane sehr wichtig, es mit dem Lernen und mit dem Wissen sehr genau zu nehmen. Immer in dem Bewusstsein, dass egal wieviel man weiß, es immer nur geliehenes Wissen ist und es einem nie gehören kann. Doch sehr wohl muss das Wissen erfahren worden sein, von dem der heilt, damit es den der Heilung sucht berühren kann.
Es genügt nicht etwas auswendig gelerntes oder angelesenes zu reproduzieren. Es muss in einem Akt der Schöpfung immer wieder neu aus dem eigenen Erleben entstehen, nur dann ist es wahrhaftig und kraftvoll. Sei es ein Lied, ein Zauberspruch, ein Ritual, eine Medizin oder auch nur ein Rat, dem man jemandem gibt.
Wir haben in unser Kultur unsere eigene Interpretation des Wortes <šamán> kreiert.
Je nachdem, woran man glaubt, was man in seinem Leben erfahren hat, wieviel Raum man dem Nicht-stofflichen und dennoch Lebendigem in seiner Wirklichkeit geben möchte, ist dieses Wort aufgeladen mit Vorurteil, Angst, häufig sogar Verachtung, vielleicht aber auch mit übertriebener Ehrfurcht oder falscher Heiligkeit. Diese Hemmnisse in der Berührung mit diesen "Nichtstofflichen" Welten und denen, die damit arbeiten ist allerdings ziemlich neu. Sie ging einher mit Auflösung von Familienverbünden, von (Dorf-)Gemeinschaften, Stammesverbänden. Jeder lebt in unser Gesellschaft seine eigene Vorstellung von Realität, die allerdings aus einer monopolisierten Quelle gespeist wird. Früher war es die Kirche, die uns ihre Anordnung von Realität eingetrichtert hat (und in großen Teilen der Welt immer noch tut), heute ist es die kapitalisierte Wissenschaft, die die Deutungshoheit darüber beansprucht, was Wirklichkeit und was Fiktion ist.
Jede Kultur hatte, zumindest bis eine der großen Machtmonopole die lebendige, individuelle Form gelebter Spiritualität unterdrückt hat, ihre eigene Form von Schamanen - von "denen die wissen".
Es sind Menschen, die gelernt haben, welche Wege zu einem "Heil Sein" und zu wahrhaftiger Erkenntnis führen.
Menschen die sich um Zeremonien und Rituale kümmern, die die Räume halten, in denen ein Realitäts-Abgleich stattfinden kann. Manchmal unterstützen sie andere dabei, in geistige Welten zu kommen, damit diese dort etwas lernen. Sie lassen sich führen von ihrem Über- und Unterbewusstsein, um selbst ganz in geistige Welten einzutauchen. Sie sind dort tätig, kommen manchmal mit Informationen zurück, manchmal mit Geschenken.
Vielleicht um ein Gleichgewicht herzustellen, um ein Heil sein zu bewirken.
Diese Tätigkeiten sind zumeist ein kunstvolles Handwerk, erlernt über lange lange Jahre, verbunden mit einem Talent oder eher einer Berufung. Diese Menschen erlangen eine tiefere Einsicht in die komplexen Zusammenhänge der geistigen Dimensionen.
Diese Menschen gab es schon immer, seit Menschheitsbeginn und in jeder Kultur.
Man sollte sich nicht dazu hinreißen lassen, sie zu Heiligen zu stilisieren, denn natürlich sind es auch einfach Menschen. Mit ihren eigenen Motiven und Hintergründen, geprägt vom Leben mit ihren persönlichen Erfahrungen. Und genauso wie alle anderen Menschen sind sie unter Umständen nicht frei von Eitelkeit, Egoismus oder Habgier.
Man sollte also schon genau hinschauen und hineinspüren, in wessen Obhut man sich begibt, wenn man Heilung sucht.
In unserer Kultur gab es schon immer die Hexen (die, die über die Hecke blicken), die Kräuterfrauen, die Seher, die Heiler, die Alchemisten, die Barden und die Narren, die Druiden. Sie wurden Jahrhunderte lang verfolgt und getötet. Die Kirche wollte das Monopol auf geistige Realität und sie hat diesen Anspruch mit aller Härte durchgesetzt. Daraufhin ist viel von dem alten Wissen verloren gegangen. Mit dem Verlust unser kollektiven geistigen Welten ging vieles andere ebenfalls verloren und ein großes Ungleichgewicht und eine Abgeschnittenheit der Menschen von ihren geistigen Wurzeln war die Folge und ein großes Ungleichgewicht trat auf, dessen tragische Folgen inzwischen auf der gesamten Welt zu spüren sind.
Solange sich die Menschen als Kinder von Mutter Erde verstanden, verwandt mit allen Steinen, Pflanzen und Tieren, war es unvorstellbar, dass sie solch verheerende Zerstörung anrichteten. Niemand der diese Beziehung wirklich fühlt, könnte seine Mutter und seine Geschwistern mutwillig so verletzen.
Die Aufgabe der Schamanen ist allerdings immer noch die gleiche. Auch hier und jetzt haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Räume entstehen und gehalten werden, in denen die Menschen ihre eigenes "für wahr Genommenes" abgleichen können mit der Wirklichkeit von allem was hier auf Mutter Erde ist. Auch heute haben sie in geistige Welten einzutauchen und mit Information zurückzukehren.
Formate und Methoden mögen und müssen sich ändern, jedoch ist es wichtiger denn je, dass es diese Menschen gibt.
Diese "Wissenden" sind in der eigentlichen Bedeutung des Wortes <šamán>.
Interessant ist, dass es in der gesamten Entwicklung der Menschheit in Gemeinschaften immer wichtig war, die Vorstellungen und Ideen die man von Spiritualität, geistigen Welten und deren Auswirkungen auf die materielle Welt gegeben hat, miteinander abzugleichen. Und es ging nur über das Erfahren dieser nicht-stofflichen Welten. Es gab und gibt unterschiedlichste Formen von Zeremonien und Ritualen, bei denen Gruppen von Menschen zusammen kamen um gemeinsam oder auch allein spirituelle Erfahrungen zu machen und diese miteinander zu teilen.
Dieses gemeinsame Erleben vereinfachte die Kommunikation und dadurch das Gemeinschaftsleben. Verursachte es doch Verständnis und Vertrauen. Es half bei der Verarbeitung von Alltag , Verlust und Leid, beim Abschied von den Gestorbenen, bei der Integration von Heranwachsenden in die Gemeinschaft und es half dabei, viele Formen von Krankheit und Wahn zu erkennen (auch die sozialen Formen von Krankheit).
Diese Zeremonien dienten dem "sich Verbinden". Dem Verbinden mit sich selbst (auch mit den Aspekten von einem selbst, die unter- oder über-bewusst sind), dem Verbinden mit den anderen in der Gemeinschaft, und auch dem Verbinden mit der Natur, mit den Elementen, mit den Tieren, mit den Pflanzen, der Erde, dem Himmel, den Sternen. Kurzum, mit allem was ist.
Diese Verbundenheit half dem Menschen dabei seinen Platz in seiner Gemeinschaft und auf der Erde zu finden, zu verstehen und zu fühlen. Das ist wichtig um wirkliche lebendig zu sein, um sein eigenes Leben zu leben und um im Frieden zu sein mit dem was ist. In Konsequenz ist genau das die Grundlage um wahrhaftig gesund und heil zu sein. In den letzten Jahrtausenden ging uns das zunehmend verloren. Auf anderen Orten dieser Welt ist der Verlust noch viel frischer. Daher ist dort die spirituelle Anbindung und damit auch die damit einhergehende Kraft noch viel größer. Man könnte auch sagen, sie sind noch nicht so lange von dieser Krankheit, von diesem Massenwahn befallen, wie unsere Gesellschaft. Man sieht, wohin es die Menschheit geführt hat diese Anbindung zu verlieren. Wenn ein Mensch nun Heilung sucht, muss es immer auch um die Heilung dieser Verbindung gehen.
Körperliches heil sein, geistige Gesundheit sind immer von einer seelischen Gesundheit abhängig. Man muss alle Ebenen anschauen und alle Ebenen behandeln, wenn man nachhaltig etwas zum Besseren im Leben eines Menschen bewegen will. Und wenn der Mensch auf allen Ebenen heil ist, dann wird aus seinem Sein, unabdingbar und ganz von selbst, Gutes erwachsen, für seine Familie, seine Gesellschaft, seine Spezies und tatsächlich für die Gesamtheit der Schöpfung hier auf Mutter Erde.